„Land schafft Verbindung Sachsen“ – Kundgebung in Plauen – Bauernidol Anthony Lee

Nationalismus, Migrationspolitik, kein Geld für Entwicklungshilfe – Landwirtschaft und Mittelstand sollen eine rechte Umsturzwelle auslösen, dafür sorgen nicht nur Querdenker. Freie Wähler-Newcomer Anthony Lee spricht bei Kundgebung von „Land schafft Verbindung Sachsen “ von „passiver Gewalt“.

Die Absprache erfolgt kurz vor Veranstaltungsbeginn in Plauen. Zwei passend im Outdoorstyle gekleidete, schick frisierte, sportliche Männer stecken die Köpfe zusammen: Anthony Robert Lee aus Rinteln und Matthias Berger aus Grimma.

Der eine Europakandidat von Hubert Aiwangers „Freie Wähler“, der andere Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Sachsen (Matthias Berger) für die bislang vor allem aus dem bayrischen Landtag bekannten Partei. Der Rechtsanwalt und langjährige Oberbürgermeister von Grimma, Berger, sagt leise, dass er sich zurückhalten will, er sei als „Privatperson“ da, „mach du mal“.

Lee antwortet: „Ich bin heute offiziell als Bundessprecher des LsV („Land schafft Verbindung Deutschland“) hier. “Aber der Name „Hubert Aiwanger“ könne ja fallen, „mehr musste ja nicht sagen, dann weiß ja schon jeder Bescheid“. Die beiden lächeln sich zu, „Ist gut, super!“ Im Schlepptau haben sie ein Filmteam mit „Freie Wähler“-Mikro und Bernhard Sünder von „Freie Wähler Chemnitz“.

Nach Gutsherrenart

Während der einst übermächtige „Deutsche Bauernverband“ jahrzehntelang von Adel und CDU geführt wurde, repräsentiert den 2019 gegründeten Interessenverband „Land schafft Verbindung“ als Bundessprecher ein Gutsherr von der Domäne Möllenbeck mit Sympathien auch für die AfD. Sein Markenzeichen ist ein Burberry-Schal. Seine Posts sind der Renner nicht nur in landwirtschaftlichen Kanälen, allein 83.900 Abonnenten hat er bei Youtube.

Anthony Lee, 47 Jahre alt, war schon vieles: Kraftfahrzeugmechaniker, Fallschirmjäger in Unteroffizierslaufbahn, Polizist, Hotelier. Ein Jahr bereiste er die Welt, heiratete in die Domäne Möllenbeck ein, schulte zum Landwirt um, betreibt nun Ackerbau und hält gerne stilvoll Hof. Er duzt seinen Zahnarzt, der nur Privatpatienten nimmt und während der Corona-Pandemie seien dem familiären Gastronomiebetrieb 45 glanzvolle Hochzeiten entgangen. Lee gibt einiges von sich preis und  den bodenständigen Weltmann als er am 31. Januar im vogtländischen Plauen als Hauptredner auftritt. Von Plauen aus will der „Halb-Engländer“ aus dem Westen den Osten erobern.

„Als erstes müssen wir in diesem Land die Migrationsproblematik hinbekommen. Es kann nicht sein, dass in diesem Land passieren kann was will. Und es kann jeder reinkommen, wie er will!“ Erwartungsgemäß folgt lautes Gejohle. Mehr als 900 Teilnehmende hat „Land schafft Verbindung Sachsen“ an diesem Tag nicht ins abgelegene Vogtland bekommen, doch die Inszenierung der Bilder ist wichtig.

Es sind scheinbar weniger Bauern als Fuhrunternehmer, Handwerksbetriebe, Mittelstand, die sich nach der Sternfahrt auf dem Albertplatz versammeln. Einer schwenkt die schwarze Fahne mit „Widerstand kann man nicht verbieten“. Lee verabredet sich für ein Gespräch mit einem Aktivisten des „Forum für Demokratie und Freiheit“ in Plauen und gibt dann einem Szene-Blogger noch schnell ein Interview.

Dabei fallen Sätze wie: „Mir geht es um keine Partei, wir brauchen einen Politikwechsel“ oder „Schauen Sie sich mal um, was hier los ist, wir sind so schlagkräftig, haben so viel Power zusammen mit den Unternehmern, Spediteuren usw., dass wir gar nicht gewalttätig sein müssen. Passive Gewalt, wenn Sie so wollen.“

Als Anthony Lee nach vielen Redenbeiträgen endlich drahtig auf die Bühne steigt, zücken unzählige Zuhörerende die Mobilgeräte. Filmen, jubeln, klatschen. Das Vogtland glänzt mit Lee. „Tanja“, der jungen Moderatorin sei es gelungen ihn herbeizuholen.

Sein Auftrittsstil: Ein Schuss smarter Gentleman, ein Schuss Blut und Boden. Lee stellt sich privat vor, menschelt gehörig, wird laut und populistisch. Für ihn sei die „Lügenpresse“ nur eine „Lückenpresse“, auch er habe einen Jagdhund, esse nicht vegetarisch.

Dann spricht er sich auf der Bühne für Atomkraft aus, greift die ökologische Landwirtschaft an. Die taz berichtete 2021 (https://taz.de/Rechtsradikale-und-Agrarproteste/!5920354/) von seinem Auftritt bei der Gründungsversammlung des Hannoveraner Regionalverbands der „Werteunion“.

Damals lobte Lee noch Orbán (https://taz.de/Protestbewegung-gegen-Umweltschutz/!5805034/), statt wie jetzt in Plauen Macron. Er sagte: „Glücklicherweise haben wir Menschen wie Viktor Orbán, die sagen: ‚Nein‘ zu Vorschlägen der EU-Kommission, den Anteil der Biolandwirtschaft stark zu erhöhen.“

Bei der „Werteunion“ nahm er kein Blatt vor den Mund: „Mein Vater war britischer Soldat bei der Rheinarmee. Und mein Opa war Waffen-SS-Offizier. Das heißt also, wenn ich Klartext spreche, hat das seine Gründe“.

2024 behauptete Lee dann, Politiker wollen das Land der Bauern enteignen um darauf Flüchtlinge anzusiedeln. In seinem Telegramkanal wird viel AfD-Werbung betrieben. Berührungsängste zu Rechtsextremen hat Anthony Lee ohnehin nicht. Bereits drei Mal gab er dem von einem österreichischen Neonazi gegründeten Sender AUF1 Interviews.

Simon Kaupert, rechtsextremer Reporter von AUF1 hat es nach Plauen geschafft,er ist spät dran, doch alle stehen ihm bereitwillig Rede und Antwort. Kaupert war mit den „Identitären“ an der menschenverachtenden Aktion auf dem Mittelmeer namens „Defend Europe“ beteiligt. Privat bewegt er sich in rechtsbündischen Kreisen.

Plauener Resolution für mehr Nationalismus

Eingeladen hat der sächsische Ableger des LsV gemeinsam mit einer Plauener Initiative mit dem merkwürdigen Namen: „Wir für Zukunft Vogtland“. Um die Organisation der Veranstaltung auf dem Boden kümmert sich resolut die bekennende Querdenkerin Steffi K.-L. aus Oelsnitz. Sie ruft die Ordner herbei oder mahnt die Anwesenden ihre Unterschrift für die „Resolution“ des sächsischen „LsV“ zu leisten.

2020 lief Steffi in Berlin mit der Aufschrift „Querdenker Widerstand“ auf der bedruckten Bluse und einem Hinweisschild „Plauen Vogtland“ mit. Die kleine Frau mit der dunklen Sonnenbrille hat den Verein „Ein Herz für Menschen“ in Erfurt mitgegründet, „Steffi EHfM Plauen“ lädt zur Vernetzung ein. Übergeordnetes Ziel des Vereines ist „die Entstehung einer Gemeinwohl-Gesellschaft, fernab eigennütziger Kapitalinteressen“. Das klingt nach Peter Fitzeks „Königreich Deutschland“ (KRD). Das schwülstige Video „Mein Jahr im KRD“ wird gepostet.

Die beiden Plauener Moderatoren auf der Bühne kommen tatsächlich aus der Landwirtschaft. Der eine ist Vertreter des „Deutschen Bauernverbandes“ in Sachsen, die andere Nebenerwerbslandwirtin mit lauter Stimme.

Stolz verkündet die junge Frau, Tanja T., dass der Oberbürgermeister von Plauen sie gestern zuhause besucht habe, um die „Resolution“ von „Land schafft Verbindung Sachsen“ zu unterzeichnen. Mehr als ein Dutzend sächsische Bürgermeister und Landräte sollen diesen Aufruf inzwischen mittragen, in dem die Ablehnung des Haushaltsentwurfes 2024 gefordert wird.

Darin geht es nicht nur um „Besserstellung der Landwirtschaft in der Wertschöpfungskette“, sondern auch um die „sofortige Überprüfung sämtlicher staatlicher Zahlungen ins Ausland“ und „Missbrauch des Sozialstaates zu unterbinden“. „1000 Traktoren waren nur der Anfang“ heißt es von der Bühne, der Druck solle sich vergrößern.

„Es ist eine Welle, die wir losgetreten haben, die ist nicht mehr zu stoppen!“ beschwört ein Ökolandwirt aus dem Vogtland die Anhängerschaft. Zuvor hatte er sich über Spritzmittelbeschränkung und grüne Landwirtschaftspolitik echauffiert. Ein weiterer Öko-Agrarier „mit Leib und Seele“, Lutz S.-H., Betreiber einer Gmbh mit 300 Milchkühen, der zum Organisationsteam in Plauen gehört, ruft ins Mikrophon:

Er sei in der DDR großgeworden und jetzt „sind wir an dem Punkt wo wir die gleiche Zensur haben wie vor 1989“! Auch er spricht sich gegen Entwicklungshilfe aus: „Wir verschenken Milliarden in alle Welt und uns ziehen se aus der Tasche das ganze Geld.“ Solche gereimten Sprüche kommen an.

Neonazi im LsV-Landesvorstand

Im Hintergrund der zweiten Kundgebung von „Land schafft Verbindung Sachsen“ in Plauen bleiben am 31. Januar zwei auffällige Vorstands-Funktionäre, die die „Resolution“ mit auf den Weg gebracht haben: Georg Stiegler, er ist stellvertretender Vereinsvorsitzender und Chef der Waldenburger Agrar GmbH. Im Oktober 2023 sorgte er für zwiespältige Öffentlichkeit.

Zum Tag der Deutschen Einheit hatte Stiegler den fundamentalen Christen-Führer Peter Hahne mit 2000 Besuchern auf den Ankerberg in Oberlungwitz eingeladen. Ein „Protest-Erntegottesdienst“ sollte es laut Stiegler in der „AG Welt“ sein. Mit dabei als Redner: Vereinskollege Anthony Lee aus Niedersachsen.

„Land schafft Verbindung“ oder wie sie sich seit Neuem nennen „Landwirtschaft verbindet Deutschland“ (LsVD) zeigen sich längst als Motor einer erneuten Protestbewegung von rechts. Auf den Bühnen beklagen sie die „Nazi-Keule“, die gegen sie geschwungen würde. Ärgern sich über kritische Berichterstattung.

Von politischer Abgrenzung in die rechte Richtung kann jedoch nicht die Rede sein. Am Beispiel „LsV Sachsen“ wird deutlich, dass sogar Rechtsextreme in den Vorstand gewählt werden. Mit dem zertifizierten Düngemittelberater Jan Häntzschel aus Döbeln sitzt ein Mann mit NPD-Vergangenheit im Landesvorstand.

Der Landwirt, Jahrgang 1988, kandidierte 2014 zur Landtagswahl und als Stadtratskandidat der Neonazi-Partei. Er fiel in der Vergangenheit als gewalttätig auf, wurde laut Sächsische-Zeitung wegen Körperverletzung 2015 zu einer Geldstrafe verurteilt (https://www.saechsische.de/schlaeger-kommt-mit-geldstrafe-davon-3275955.html). Häntzschel war Sänger der Rechtsrockband „Thematik 25“, Bandshirts sollen den Aufdruck ‚Rock Against Zionism‘ getragen haben (https://engagiertewissenschaft.de/2022/08/30/rechts-rockt-staupitz-bereits-seit-14-jahren/).

Punkt halb vier ist die Kundgebung in Plauen zu Ende. Lee friert, aber eine hartnäckig wartende Rundfunk-Reporterin erwartet noch ein Interview mit ihm. Es dröhnt in den Ohren als alle die Motoren anwerfen.

Ein paar Traktoren fahren noch in Richtung Autobahn, wohl um die Auffahrten weiterhin zu versperren.

Kopie von: https://www.endstation-rechts.de/news/bauernidol-anthony-lee


14.12.2015 sächsische Zeitung

Schläger kommt mit Geldstrafe davon

Wegen gefährlicher Körperverletzung muss der ehemalige NPD-Kandidat Jan Häntzschel 3 300 Euro zahlen.

Von Helene Krause

Döbeln. Jan Häntzschel wird gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen vorgeworfen. Vor dem Amtsgericht Döbeln wird ihm deshalb der Prozess gemacht. Am Montag wurde die Verhandlung fortgesetzt. Der zweite Termin war notwendig, weil weder Richter René Stitterich noch die Staatsanwaltschaft zunächst klären konnten, ob sich die Taten so zugetragen hatten, wie sie in der Anklageschrift stehen. Grund dafür war, dass der Beschuldigte die Vorfälle bestritt und Zeugen fehlten.

Bei der Kundgebung der NPD Mittelsachsen am 13. Februar 2015 auf dem Obermarkt in Döbeln war Jan Häntzschel der Hauptordner und der stellvertretende Versammlungsleiter. Doch an diesem Abend hatten sich auf dem Obermarkt nicht nur Rechte versammelt. In der Marktstraße stand ein Trupp linker Gegendemonstranten. Um die beiden Lager zu trennen und es nicht zu einer Eskalation kommen zu lassen, waren Polizisten am Versammlungsort. Auf einen der Beamten, der den Döbelner Neonazi Stefan Trautmann im Griff hatte, soll Jan Häntzschel mit erhobener rechter Faust und wutverzerrtem Gesicht zugerannt sein und versucht haben, den Beamten zu schlagen.

Des Weiteren soll er kurz zuvor eine Passantin mit einer Eisenstange oder einer Holzlatte geschlagen haben. Auch die Stange soll er in der erhobenen Rechten gehalten haben. Obwohl zwei Polizisten als Zeugen den Beschuldigten in der ersten Verhandlung schwer belasteten, konnte die Passantin nicht sagen, ob der Angeklagte einen Gegenstand in der Hand gehabt hat oder nicht. Sie verspürte nur eine leichte Berührung an der Schulter. Verletzt wurde sie nicht. Die Berührung kann, nach Ansicht des Verteidigers, Rechtsanwalt Alexander Lindner aus Aue auch eine Berührung mit der Hand gewesen sein.

Ordnungsgeld auferlegt

Zum zweiten Termin wurden weitere Zeugen gehört, um den Sachverhalt endgültig zu klären. Doch auch zu dieser Verhandlung fehlte eine Zeugin. Sie ließ dem Gericht ein Schreiben zu kommen, dass sie nichts gesehen habe und deshalb zur Tat nichts sagen könne. Außerdem hätte ihr der Arbeitgeber nicht freigegeben. Die Erklärung ersparte der Frau allerdings nicht, dass Richter René Stitterich ihr ein Ordnungsgeld von 150 Euro auferlegte oder ersatzweise eine Ordnungshaft von sechs Tagen. Nach dem Tatgeschehen hatte sie sich als Zeugin bei der Polizei gemeldet.

Die beiden anderen Zeugen konnten zu den Taten wenig sagen. Ein Zeuge hat zwar gesehen, dass Jan Häntzschel zur Tatzeit einen Gegenstand in der Hand hielt, aber ob das eine Holzstange oder eine aus Eisen war, erkannte er nicht. Auch wusste er nicht, ob er die Geschädigte geschlagen hat oder nicht. Eine weitere Zeugin erklärte, dass die Geschädigte ihr erzählt habe, dass Jan Häntzschel mit einer Stange auf sie zugekommen wäre und sie eine Berührung auf der Schulter verspürt hätte. Gesehen hat sie es nicht.

Freispruch gefordert

Staatsanwalt Maximilian Kuka sah die Taten als erwiesen an. Allerdings hielt er den Vorfall mit dem Schlag auf die Passantin nur für einen Versuch der gefährlichen Körperverletzung. „Sie wurde nicht verletzt“, sagte er. Er plädierte für beide Straftaten auf eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Die Strafe soll auf zwei Jahre Bewährung ausgesetzt werden. Verteidiger Rechtsanwalt Alexander Lindner dagegen sah die Taten nicht als erwiesen an. „Dass der Angeklagte auf den Polizisten losgerannt ist, mag sein“, sagte er. „Aber wenn er auf ihn zuläuft, muss er nicht zwangsläufig schlagen.“ Und im Falle der Passantin meinte er, dass keiner der Zeugen genau sagen konnte, ob sein Mandant einen Gegenstand in der Hand hatte oder nicht. Er forderte für beide Taten Freispruch.

Richter Stitterich verurteilt den Angeklagten wegen des Versuchs der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 3300 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.